Im Auftrag Kasachstans beeinflusse Thomas Borer das Bundeshaus und die Schweizer Justizbehörden, schrieb die NZZ gestern. Im Interview bezieht der Ex-Botschafter Stellung zu den Vorwürfen.
Es war die Genfer Zeitung «Le Temps», die den Schweizer Ex-Botschafter Thomas Borer im Oktober vergangenen Jahres als Lobbyisten der kasachischen Regierung outete. Gestern doppelte die NZZ nach: Mit Verweis auf Dutzende geleakte oder gehackte Mails (siehe Box), die auf einer kasachischen Plattform aufgetaucht sind, wirft die Zeitung Borer vor, den Bundesrat und die Schweizer Justizbehörden im Sinne Kasachstans zu beeinflussen. So habe er der kasachischen Regierung «Insider-Informationen» der Bundesanwaltschaft in Aussicht gestellt und den SVP-Nationalrat Christian Miesch dazu gebracht, mit einer Interpellation die Auslieferung des kasachischen Ex-Bürgermeisters Viktor Khrapunov zu fordern.
Thomas Borer, die NZZ wirft Ihnen vor, den Bundesrat und die Schweizer Behörden im Sinne Kasachstans zu beeinflussen. Was sagen Sie dazu?
Die NZZ gibt sich naiv. Im Bundeshaus lobbyieren hunderte Personen für die verschiedensten Anliegen. Greift die NZZ die Lobbyisten der Banken, der Waffenhändler, der Rohstoffhändler an? Nein. Dass ich Kasachstans Interessen vertrete, ist nichts Ungewöhnliches. Die Schweizer Regierung beschäftigt von Zeit zu Zeit auch amerikanische Lobbyisten in den Washington, um ihre Interessen zu vertreten. All das ist in einer Demokratie zulässig.
Die NZZ beruft sich auf Mails, die im Internet publiziert wurden, und die Details aus ihrer Lobbytätigkeit enthalten sollen.
Ich kommentiere Mails nicht, welche die NZZ angeblich hat und über deren Quelle sie sich ausschweigt. Mails zwischen mir und meinen Klienten sind Geschäftsgeheimnisse und es ist strafrechtlich verboten, diese zu erlangen. Mich wundert, dass gerade die NZZ – sonst Hüterin von Recht und Zivilisation – offensichtlich kriminell erlangtes Material verwendet. Es scheint, als hätte sich auch der NZZ-Journalist von einem Lobbyisten instrumentalisieren lassen.
Wie meinen Sie das?
Die Mails sind auf der von der NZZ erwähnten Plattform gar nicht abrufbar. Der Eindruck, welche die NZZ erweckt, diese Website sei so etwas wie Wikileaks, ist schlicht falsch. Immerhin wirft die NZZ mir in keiner Weise widerrechtliches Handeln vor, sondern argumentiert unfassbar moralisch. Sie stellt sich schützend vor Khrapunov. Sie stellt nicht die Frage, wie ein kasachischer Bürgermeister innert weniger Jahre zu Hunderten von Millionen von Vermögen kommt, mit welchem er in der Schweiz ein Immobilienimperium aufbaut.
Gerade um Khrapunov soll es in den Mails gehen. Kasachstan verlangt die Auslieferung des am Genfersee wohnhaften ehemaligen Bürgermeisters von Almaty – wegen Korruption und Veruntreuung. Welche Rolle spielen Sie hier?
Kasachstan ist an mich herangetreten mit dem Auftrag, die Schweizer Behörden bei der Verfolgung von Missetätern zu unterstützen, welche die kasachische Bevölkerung um mehrere 100 Millionen Dollar geprellt haben sollen – wie eben Khrapunov.
Kritiker sagen, Khrapunov werde verfolgt, weil er ein politischer Gegner der Regierung ist.
Während der ersten Jahre seines Aufenthaltes in der Schweiz hat Khrapunov im Wahlkampf die derzeitige Regierung noch unterstützt. Erst nachdem ein Verfahren gegen ihn eingeleitet wurde, wurde er zum «Oppositionellen». Das ist leicht durchschaubar – ein klarer Missbrauch des Schweizer Asylrechts.
Jetzt laufen die Ermittlungen.
Ja, aber leider nicht gerade effizient – die Staatsanwaltschaft in Genf hat es vor zwei Jahren unterlassen, die Gelder von Khrapunov umfassend zu blockieren. Das Geflecht von Genfer Banken, Anwälten und Treuhändern scheint im Übrigen gut zu funktionieren. Der ganze Fall ist daher auch schlecht für das Image der Schweiz.
Inwiefern?
In Kasachstan und in anderen Ländern könnte der Eindruck entstehen, die Schwüre der Schweizer Regierung und Banken, man wolle kein Hort für Geldwäscher und Schwarzgeld sein, seien nicht ernst zunehmen. Im konkreten Fall agiere die Schweiz ungenügend. Das schadet uns allen.
Offenbar kann aber Khrapunov nicht ausgeliefert werden, weil ihm in Kasachstan kein menschenrechtskonformes Verfahren garantiert werden könne.
Dieser Eindruck ist falsch. Klar – Kasachstan ist noch nicht auf dem Niveau der Schweizer Demokratie und Rechtsstaatlichkeit angelangt. Kasachstan befindet sich noch in der Entwicklung. Umfragen zeigen aber, dass die Kasachen gerade in der Frage von Leuten wie Khrapunov verständlicherweise hinter ihrer Regierung stehen. Ausserdem würde Kasachstan Garantien für eine menschenrechtskonforme Behandlung von Khrapunov abgeben. Und schliesslich liefert die Schweiz in viele andere vergleichbare Länder aus, zum Beispiel auch nach Russland.
Quelle: Watson.ch