Dokumente der FDP-Nationalrätin bei umstrittenem kasachischen Politiker aufgetaucht.
FDP-Nationalrätin Christa Markwalder hat Unterlagen aus der Aussenpolitischen Kommission (APK) weitergegeben und damit wohl gegen das Kommissionsgeheimnis verstossen. Russische Übersetzungen der Dokumente sind Teil der E-Mails des kasachischen Politikers Asat Peruaschew, die Unbekannte ins Netz gestellt haben. Eines der Papiere trägt den Briefkopf des EDA. Es geht darin um den Stand des Verfahrens gegen einen kasachischen Oppositionellen, der im Genfer Exil lebt. Markwalder gibt zu, die Unterlagen mit der Burson-Marsteller-Lobbyistin Marie-Louise Baumann «geteilt» zu haben. Dass die Dokumente nach Kasachstan weitergeleitet wurden, findet Markwalder
«enttäuschend und unprofessionell». Am Mittwoch war bekannt geworden, dass Markwalder eine Interpellation eingereicht hatte, die teilweise in Kasachstan verfasst worden ist. Baumann stellte Peruaschew dafür über 7000 Franken in Rechnung.
Jetzt muss die Berner FDP-Frau um ihr Nationalratspräsidium fürchten. SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz sagt: «Noch gilt die Unschuldsvermutung. Bestätigt sich aber die Verletzung des Kommissionsgeheimnisses, kommt Markwalder für das Präsidium nicht mehr infrage.» Mit einer Anzeige wegen «Vorteilnahme im Amt» konfrontiert, sieht sich Nationalrat Walter Müller, ein Parteikollege Markwalders. Er hatte sich von Peruaschew zu einer Reise nach Kasachstan einladen lassen.
Markwalder spielte Dokumente direkt der Lobbyistin zu
Die FDP-Politikerin und designierte Nationalratspräsidentin hat Informationen weitergegeben, die wohl dem Kommissionsgeheimnis unterstehen. Sie landeten beim kasachischen Politiker Peruaschew.
Das Mail ist ganz knapp gehalten. «Ich sende Ihnen die Übersetzungen der Antworten auf die Anfragen der Nationalrats-Vizepräsidentin Christa Markvalder. Dmitry.» Der Absender verschickte das im Original auf Russisch gehaltene Mail von seiner Büroadresse beim Tabakgiganten Philip Morris International aus. Empfänger ist Asat Peruaschew, Chef der kasachischen Partei Ak Schol. Mit «Markvalder» ist Christa Markwalder, 39, gemeint, FDP-Nationalrätin und designierte Nationalratspräsidentin 2016.
Die an das Mail gehängten Dateien sind brisant: Vier der fünf Dateien sind Übersetzungen von Dokumenten aus dem Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA). Schriftliche Antworten auf Anfragen Markwalders, die sie am 19. und 20. August 2013 in der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Nationalrats gestellt hat. Solche Dokumente unterstehen in der Regel dem Kommissionsgeheimnis.
Sie sind nicht für die Öffentlichkeit, geschweige denn für andere Staaten bestimmt.
Das Mail vom November 2013 gehört zu einem Fundus an Nachrichten, die Unbekannte ins Internet gestellt haben. Es handelt sich um ein Abbild eines Mailkontos Peruaschews
Markwalder gibt Weitergabe zu: «Aus heutiger Sicht ein Fehler»
Gegenüber der SonntagsZeitung gab Christa Markwalder gestern zu, die Antworten weitergereicht zu haben. «Ich wollte mich im Interesse der Schweiz für gute Beziehungen mit Kasachstan einsetzen. Wer mir damit nun schaden will, entzieht sich meiner Kenntnis», schreibt Markwalder. Aber sie räumt ein, mit Marie-Louise Baumann, der Lobbyistin im Dienste Peruaschews, die Antworten des EDA geteilt zu haben. Die, so Markwalder, «weder brisant noch als vertraulich» klassifiziert waren. «Dass sie [Baumann, die Red.]diese tel quel nach Kasachstan weitergeleitet hat, ist enttäuschend und höchst unprofessionell. Sinn und Zweck des Kommissionsgeheimnisses ist es, die Debatte zu schützen, und diese thematischen Fragen wurden in der Kommission nicht einmal debattiert!» Aus heutiger Sicht sei «diese Zusammenarbeit» mit Baumann aber «ein Fehler» gewesen, sagt Markwalder, «und ich würde nicht mehr so handeln».
Auch Antwort zum Stand im Verfahren Wiktor Chrapunow
APK-Präsident Carlo Sommaruga will sich nicht zu den konkreten Papieren äussern. Er erklärt jedoch auf Anfrage: «Jegliche Antworten auf Fragen aus der Kommission unterliegen dem Kommissionsgeheimnis.» Ob sie schriftlich oder mündlich erteilt werden, macht laut dem Genfer SP-Nationalrat keinen Unterschied.
Markwalder argumentiert, dass «gemäss Parlamentskollegen Antworten auf thematische Fragen oft geteilt» würden, die rechtliche Regelung sei «unklar». Felix Gutzwiller, FDP-Kollege und Präsident der ständerätlichen APK, habe ihr gegenüber von einem «Graubereich» gesprochen.
Eine der vier Kommissionsantworten in kasachischen Händen dreht sich um die Korruptionsbekämpfung in Tschechien, eine andere um die politische Situation in Bosnien. Zwei weitere haben direkt mit Kasachstan zu tun: Es geht um die Frage, wie die Schweiz die örtliche Demokratisierungsbestrebungen unterstützt. Und um den Verfahrensstand im Fall Wiktor Chrapunow, eines ehemaligen kasachischen Spitzenbeamten, der heute als Regimegegner im Genfer Exil lebt und ein Verfahren wegen Geldwäscherei am Hals hatte.
Die Antwort auf die letzte Frage formuliert der Übersetzer noch im vom EDA angelegten Originaldokument inklusive Briefkopf auf Russisch um. Sie fällt knapp aus. Der Bundesrat äussere seine Ansichten dazu nicht, verweise auf die Gewaltentrennung.
Ein Prinzip, das dem tatsächliche Fragesteller fremd sein dürfte. Hinter den APK-Fragen steckt nicht die Berner Nationalrätin Markwalder, sondern der kasachische Politiker Asat Peruaschew. Im Westen tritt er als Oppositionspolitiker auf, in der Heimat gilt er als Marionette des Regimes. Die NZZ deckte diese Woche auf, dass er mithilfe der bei der PRFirma Burson-Marsteller beschäftigten Marie-Louise Baumann Markwalder instrumentalisierte.
Für die Fragen, die Markwalder in der Kommission stellen sollte, griff Peruaschew persönlich in die Tasten. Dass die Schweizer Medien die Menschenrechtssituation in Kasachstan kritisierten, löschte er aus dem Dokument. Und ersetzte den Satz durch eine Würdigung der ökonomischen und politischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Kasachstan. Ganz ähnlich säuberten die kasachischen Politiker bereits den Interpellationstext, den Markwalder schliesslich am 21. Juni 2013 eingereicht hatte.
In einem der im Internet veröffentlichten E-Mails vom 14. Juni 2013 findet sich dazu eine aufschlussreiche Passage: «Ich hatte eine weitere Diskussion mit Christa», schreibt Baumann dem Übersetzer Peruaschews. «Weil ‹Menschenrechte› ein etwas emotionales Wort ist, wenn wir es verwenden, hat sie zugestimmt, dass wir es rausnehmen!» Markwalder selber sagte diese Woche, sie habe nicht gewusst, dass der Begriff gestri chen werde.
Der schweizerisch-kasachische E-Mail-Verkehr erlaubt auch tiefere Einblicke in die sonst so klandestine Lobbyingbranche. «In der Politik ist es sehr schwierig, ‹niemals› oder ‹immer› zu sagen», umschreibt MarieLouise Baumann einmal die Prinzipientreue von Schweizer Politikern. «Man kann sie nicht kontrollieren, manchmal ändern sie sogar ihre Meinungen», schreibt sie. Und «entschuldigt» sich, keine «Garantien» abgeben zu können. Das akzeptiert auch ihr kasachischer Mail-Partner: «Danke für die gute Einschätzung der Parlamentarier. Es ist klar, dass Garantien nicht möglich sind. Aber es hilft Herrn Peruaschew, daheim in Kasachstan zu kommunizieren.»
Kosten von 2000 Franken für einen «Rundschau»-Beitrag
Auch Rechnungen finden sich in den E-Mails. Für die «Rundschau»- Ausgabe vom 10. April 2013 etwa, in der ein Beitrag anlässlich des Besuchs von Bundesrat Johann Schneider-Ammann in Kasachstan ausgestrahlt wurde, verrechnete Burson-Marsteller 2000 Franken plus Kleinspesenpauschale und Mehrwertsteuer.
SRF-Sprecher Stefan Wyss hat keine Erklärung für die Rechnung: «Die ‹Rundschau› hatte für diesen Beitrag keinen Kontakt zu Burson-Marsteller oder Frau Baumann.» Dies bestätigt Matthias Graf, CEO der PR-Firma: «Burson-Marsteller war nicht in die Entstehung dieser Beiträge involviert. Die Rechnungsstellung erfolgte für das Reporting, Übersetzungen sowie erläuternde Berichte in Englisch zu den Beiträgen zuhanden des Kunden.»
Laut einem E-Mail bezahlte Peruaschew die Rechnungen aus der Schweiz mindestens einmal per Western Union. Dessen Übersetzer bat Marie-Louise Baumann, hohe Rechnungen doch «aus Steuerregulierungsgründen» auf «ungleiche Beträge unter 7000 Franken aufzusplitten».
Ist es üblich, dass Burson-Marsteller Kunden hilft, in der Heimat Steuern zu umgehen? «Nein, sicher nicht», sagt CEO Graf. «Wir haben die Leistungen in diesem Mandat, wie unsere Abrechnungen zeigen, jeweils entsprechend dem laufenden Arbeitsfortschritt ausgestellt und dabei die Unterprojekte offen ausgewiesen. Dabei haben wir auch regelmässig Beträge über 7000 Franken fakturiert.»
Mail-Mittelsmann zwischen dem kasachischen Politiker Peruaschew und seinen Schweizer Lobbyisten war jeweils Dmitry, der Übersetzer. Er begleitete den Politiker auch in die Schweiz. Einen Besuch umriss er gegenüber seinem Chef vorab damit, dass man beim «Treffen» am Parlament und am «Flüchtling» weiterarbeiten wolle. Damit dürfte er den Fall Wiktor Chrapunow gemeint haben.
Seinen eigentlichen Job verschwieg Dmitry bei seinen Besuchen in der Schweiz offenbar: «Nur ein kleines Detail zu meiner Teilnahme: Falls ich in Bern am Meeting dabei bin, sollte ich mich nur als Asats Kollege von der Nationalen Industriekammer vorstellen», schreibt er vor einem Treffen, das in London stattfinden sollte. «Keine Verbindungen zu Philip Morris!»