Weshalb Berner Nationalrätinnen, die auf Menschenrechte pochen, plötzlich die Auslieferung eines politisch Verfolgten an ein autoritäres Regime verlangen.
Der Schweizer Ex-Botschafter Thomas Borer lobbyiert für den autoritären Staat Kasachstan. SVP-Nationalrat Christian Miesch (BL) hilft ihm dabei. Das ist ein Teil der Geschichte. Ein anderer Teil ist: Auch die Berner Nationalrätinnen Margret Kiener Nellen (SP) und Christa Markwalder (FDP) leisten Support für ein Regime, das Oppositionelle und Kritiker einsperren lässt. Warum wohl?
Diese Woche machte die NZZ publik: Borer steht als Lobbyist im Dienst des kasachischen Staatspräsidenten Nursultan Nasarbajew («Bund» von gestern). In dieser Funktion weibelt Borer bei den Behörden in Bundesbern für die Auslieferung von Nasarbajews ebenso umstrittenem politischem Widersacher Wiktor Charpunow, der in Genf wohnt und Asyl gestellt hat. Insbesondere schaffte es Borer, Nationalräte für seine Sache zu gewinnen: Miesch reichte im letzten Herbst eine Interpellation ein, um vom Bundesrat zu wissen, wie es möglich sei, «dass Personen, die der Geldwäscherei beschuldigt sind und auf der Fahndungsliste von Interpol aufgeführt werden, in der Schweiz Asyl erhalten können».
Und, so Miesch weiter, solle die Schweiz nicht besser die Rechtshilfe mit Kasachstan stärken, also letztlich Charpunow ausliefern? Unterschrieben wird der Vorstoss von acht weiteren Nationalräten, fünf von der SVP, zwei von der FDP, darunter eben Markwalder und als einzige Linke Kiener Nellen.
Markwalder geht nun auf Distanz zur Interpellation: Sie sei Mitglied der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Kasachstan. In dieser Gruppe sei man sehr wohl auch mit der liberalen Opposition in Kasachstan in Kontakt. Nun sei Miesch am letzten Tag der Herbstsession «noch rasch» mit der Interpellation vorbeigekommen. Da habe sie das Papier halt unterschrieben, zumal Miesch die Hintergründe des Vorstosses nicht erklärt habe.
Hätte sie damals schon gewusst, dass quasi Borer als Lobbyist Kasachstans den Vorstoss bestellt habe, hätten bei ihr «die Alarmglocken geläutet». «Ja, ich hätte das Anliegen besser prüfen sollen», sagt Markwalder. Aber, so betont die Freisinnige: Das Ganze sei ja nur eine Interpellation. Man habe nur Fragen gestellt und nichts Konkretes verlangt.
Kiener Nellen verteidigt Vorstoss
Kiener Nellen indes verteidigt ihre Unterschrift auf der Interpellation, auch wenn sie die Situation in Kasachstan kennt: Sie ist Mitglied im Menschenrechtskomitee der Interparlamentarischen Union. Auch hat sie das Land bereist. Ihr Schwager war zudem lange Botschafter für die Schweiz in Kasachstan.
Gleichwohl sagt sie: «Ich finde es fragwürdig, wenn ein Politiker, der im engsten Kreis des Staatspräsidenten Kasachstans Karriere gemacht hat, sich in der Schweiz plötzlich als politisch Verfolgter inszeniert.» Es sei wichtig, dass die Justiz im Fall Charpunow endlich zum Abschluss des Strafverfahrens komme – mit oder ohne Auslieferung, das sei dahingestellt, so Kiener Nellen. Daher habe sie die Interpellation unterschrieben. Zur Borer-Kasachstan-Verbindung sagt sie, sie kenne Herrn Borer nicht.
Bundesrat hat geantwortet
Der Bundesrat hat die Interpellation bereits beantwortet. Zum konkreten Fall äussert er sich zwar nicht. Allgemein hält er aber fest: «Einem Auslieferungsersuchen kann nur stattgegeben werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind und keine Ausschlussgründe (z. B. Verfolgung wegen politischer Anschauungen, Menschenrechtsverletzungen) vorliegen.» (Der Bund)
Quelle: derbund.ch