Sie ist Milliardärin, Tochter des Präsidenten von Kasachstan und hat in Genf eine Villa für 74,7 Millionen Franken gekauft. Doch jetzt werden Dinara Kulibajewa und ihr Mann von der kasachischen Vergangenheit eingeholt.
Markus Häfliger, Bern
Im «Palais de Justice» in Genf spricht man von einem «sensiblen Fall». Die Staatsanwaltschaft behandelt eine Strafanzeige gegen Dinara Kulibajewa und Timur Kulibajew. Die beiden sind die Tochter und der Schwiegersohn des Präsidenten von Kasachstan. Staatsanwalt Marc Tappolet bestätigt, dass er gegen die Präsidententochter und ihren Gatten «ein Verfahren laufen» habe.
Das Ehepaar, dessen Vermögen von auf eine bis mehrere Milliarden Franken geschätzt wird, ist hierzulande nicht unbekannt: Die 45-jährige Kulibajewa hat ihren Wohnsitz seit 2007 offiziell in der Schweiz. Ende 2009 hat sie im Genfer Vorort Anières für 74,7 Millionen Franken eine Villa am See gekauft – einer der höchsten Preise, die in der Schweiz je für ein Wohnhaus bezahlt wurden.
Das Immobiliengeschäft schlug damals Wellen bis ins Bundeshaus. Es gab Mutmassungen, beim Kauf sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Im Nationalrat erklärte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf jedoch, die Wohnsitznahme der Präsidententochter am Lac Léman sei rechtens gewesen.
Betrug und Nötigung?
Die Abklärungen der Genfer Staatsanwaltschaft scheinen sich – zumindest vorläufig – nicht um diesen Hauskauf zu drehen. Tappolet sagt, es gehe um einen «geschäftlichen Streit», um mutmasslichen Betrug und Nötigung.
Aktiv wurde Tappolet aufgrund der Strafanzeige. Noch hat er kein formelles Strafverfahren eröffnet, und für das Ehepaar Kulibajew gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Tappolet erachtet die Strafanzeige aber offenbar als derart substanziell, dass er die Anzeigeerstatter zu einer Befragung aufgeboten hat. Mehr sagt Tappolet nicht.
Gemäss Informationen der NZZ handelt es sich beim «geschäftlichen Streit» jedoch um einen Konflikt zweier kasachischer Familienclans. Der Konflikt hat seinen Ursprung in Kasachstan, verlagert sich aber zunehmend in die Schweiz. Auf einer Seite steht die Präsidentenfamilie Nasarbajew, die das Land seit über zwanzig Jahren beherrscht. Auf der anderen Seite steht das Ehepaar Chrapunow.
Wiktor und Leila Chrapunow waren grosse Nummern in Kasachstan: Er war Bürgermeister von Almaty und Minister, sie war offenbar erfolgreiche Geschäftsfrau. Doch irgendwann begann der politische Wind gegen sie zu drehen. 2007 setzten sie sich nach Genf ab, 2011 ersuchten sie die Schweiz um politisches Asyl – ihr Gesuch ist noch hängig. Inzwischen wirft die kasachische Justiz ihnen angebliche Vergehen in Kasachstan vor, wie die französische Zeitung «Le Monde» unlängst berichtete.
Die Chrapunows im Gegenzug stehen nun offenbar hinter der Genfer Strafanzeige gegen die Präsidentenfamilie. In der Anzeige geht es um die Firma Viled, die Leila Chrapunowa gegründet hat. Viled betreibt in Kasachstan Boutiquen für Schmuck, Uhren und Mode. 2003 verkaufte Chrapunowa ihre Firma, angeblich an einen Strohmann der Präsidentenfamilie. Auf ihrer Website macht Chrapunowa geltend, sie habe Viled nicht freiwillig verkauft, sondern nur nach Drohungen vonseiten der Präsidentenfamilie – und dies weit unter dem Wert der Firma. Nun soll also die Genfer Justiz diesen Streit klären.
Achse Schweiz–Kasachstan
Die Chrapunows wollten sich zur Strafanzeige nicht äussern. Über einen Sprecher liessen sie aber schriftlich ausrichten, der Fall Viled sei «typisch für die Methode Nasarbajew»: Der Staatschef eigne sich unter Zwang all das an, was Geld einbringe. Aber weil dies meist über Strohmänner passiere, sei es kaum zu beweisen. «Es wäre ein grosser Sieg, wenn die Schweizer Justiz im Fall Viled die Spur bis zu Nasarbajew zurückverfolgen könnte», schreibt der Sprecher. Ein Anwalt von Kulibajewa andererseits erklärt auf Anfrage, er sei über die Strafanzeige noch nicht orientiert.
Jedenfalls kommt Dinara Kulibajewa nun erstmals ins Visier der Schweizer Justiz. Gegen ihren Mann läuft bereits seit 2010 ein anderes Verfahren der Bundesanwaltschaft. Der Verdacht: Timur Kulibajew soll bei Öl- und Gasgeschäften riesige Summen veruntreut und in der Schweiz gewaschen haben.
Die Verfahren gegen die Präsidentenfamilie sind diplomatisch heikel, denn die Schweiz pflegt enge Beziehung zu Kasachstan. 2012 stammten 21 Prozent der Rohölimporte von dort, 2011 sogar die Hälfte. Zudem ist Kasachstan Mitglied der Schweizer Stimmrechtsgruppe beim Währungsfonds.