Ein im Exil lebender kasachischer Regimekritiker wirft Präsident Nasarbajew die Entführung seiner Frau vor. Der Kampf der kasachischen Eliten wird mit zwielichtigen Methoden geführt.
Die undurchsichtigen Auseinandersetzungen zwischen kasachischen Exilpolitikern und dem Regime von Präsident Nursultan Nasarbajew sind um ein Kapitel reicher. Wie am Wochenende bekanntwurde, sind am Freitag die Frau und Tochter des früheren Energieministers und Bankiers Muchtar Abljasow in einer dubiosen Aktion von Italien nach Kasachstan ausgeschafft worden. Der 50-jährige Regimekritiker schrieb auf seiner Facebook-Seite, italienische Sicherheitskräfte hätten in einem Vorort von Rom seine Frau und seine sechsjährige Tochter in Gewahrsam genommen. Diese seien daraufhin in die kasachische Hauptstadt Astana ausgeflogen worden. Inwiefern die kasachischen Behörden auf italienische Stellen für die Auslieferung einwirkten, ist unklar.
Kritiker und Profiteure
Abljasow war zum Zeitpunkt der Razzia nicht anwesend. Laut Informationen der Behörden besass seine Frau keine gültigen Aufenthaltspapiere für Italien; schon 2012 hatten die kasachischen Behörden gemeldet, dass sich das Ehepaar illegal Pässe habe ausstellen lassen. Ein Anwalt der Familie äusserte sich derweil skeptisch über die Rechtmässigkeit des Vorgehens. Er zeigte sich überrascht über die Geschwindigkeit der Ausschaffung. Sogar ein Privatjet sei bereit gestanden. Die Behörden würden «Geiseln» an einen «Diktator» ausliefern. Abljasow sprach von politischer Verfolgung und warf Präsident Nasarbajew vor, die «Entführung» angeordnet zu haben. Am Samstag informierte der Oppositionelle, dass seine Frau und Tochter in Almaty im Süden Kasachstans bei Verwandten aufgetaucht seien.
Die Episode ist nur eines von vielen Beispielen für die im Exil fortgesetzte Fehde zwischen Regimegegnern und dem Nasarbajew-Clan. Viele Exilpolitiker sind ehemalige Gefolgsleute des mittlerweile 72-jährigen Präsidenten oder zumindest Profiteure von dessen autoritärem Herrschaftssystem, die nach einem Zerwürfnis emigrierten. Abljasow war einst Regierungsmitglied und später in einer Oppositionspartei aktiv. Im letzten Jahr äusserte er Ambitionen auf das Präsidentenamt. Die Zentralmacht geht oft mit grosser Härte gegen die Opposition vor, der sie umstürzlerische Aktivitäten vorwirft. So wird Abljasow beschuldigt, hinter den tödlichen Krawallen des Ende 2011 eskalierten Ölarbeiter-Konflikts in Schanaosen zu stehen. Nasarbajew kontrolliert das politische Machtgefüge bereits seit über zwanzig Jahren. Seine reguläre Amtszeit dauert noch bis 2016.
Bekannt wurde Abljasow im Ausland aber nicht in erster Linie als Oppositionsaktivist, sondern als schwerreicher Financier. Die kasachischen Behörden werfen ihm Geldwäsche und Veruntreuung von mehreren Milliarden Dollar während seiner Zeit als Chef der BAT-Bank vor. Nach seiner Flucht aus der zentralasiatischen Republik erhielt er 2011 in Grossbritannien politisches Asyl. Kasachstan verlangt seine Auslieferung. Doch auch in England muss sich Abljasow wegen Finanzangelegenheiten juristischen Forderungen stellen. Als ihn der High Court in London wegen Missachtung des Gerichts zu 22 Monaten verurteilte, tauchte er unter.
Fehden in der Schweiz
Ein weiterer Schauplatz kasachischer Ränkespiele mit äusserst vermögenden Akteuren ist die Schweiz. Abljasow tritt dabei ebenfalls auf. Dinara Kulibajewa, eine der Töchter Präsident Nasarbajews, ist in Genf ansässig. Sowohl gegen sie wie ihren Gatten ermittelt die Schweizer Justiz, unter anderem wegen Betrugs und des Verdachts auf Geldwäsche mit Erlösen aus dem Öl- und Gasgeschäft. Anlass für die juristischen Schritte soll auch Abljasow gegeben haben. Das Ehepaar Kulibajew befindet sich zudem in einer Fehde mit Wiktor und Leila Chrapunow, die sich 2007 in die Schweiz absetzten und gegen Nasarbajew lobbyieren. Der frühere Bürgermeister von Almaty steht im Visier der kasachischen Behörden. Mit der Familie Chrapunow ist Abljasow durch die Heirat seiner älteren Tochter Madina mit Chrapunows Sohn Ilijas verbunden.
Daniel Wechlin, Moskau