Ex-Botschafter Thomas Borer weibelt bei Schweizer Politikern für die Regierung Kasachstans. Der lange Arm der ehemaligen Sowjetrepublik reicht bis ins Baselbiet: SVP-Nationalrat Christian Miesch setzt sich für die Auslieferung eines kasachischen Bürgers ein. Von Jeremias Schulthess
Es kommt selten vor, dass die Arbeit von Lobbyisten ans Tageslicht kommt. Der aktuelle Fall um den ehemaligen Schweizer Botschafter Thomas Borer, SVP-Nationalrat Christian Miesch und die kasachische Regierung aber legt umfangreiche Details offen, wie Lobby-Arbeit funktioniert.
Der Fall dreht sich um das kasachische Ehepaar Leila und Viktor Chrapunow, das seit 2008 in der Schweiz lebt. Chrapunow war in seiner Heimat ein hochrangiger Politiker, bis er sich mit dem autoritären Herrscher Nursultan Nasarbajew zerstritt. In der Schweiz steht Chrapunow in Geldwäscherei-Verdacht. In Kasachstan droht im der Prozess wegen Korruption und Veruntreuung.
«Wichtige Insider-Informationen» von der Bundesanwaltschaft
2012 richtete Kasachstan ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz, worauf die Genfer Staatsanwaltschaft der Sache nachging. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, es bleibt offen, inwieweit sich Chrapunow in seiner Heimat schuldig gemacht hat. Die Schweiz will Chrapunow nicht ausliefern, da ihm in seinem Heimatland kein menschenrechtskonformes Verfahren garantiert sei.
Thomas Borer weibelt seit 2013 in der Schweiz dafür, dass Chrapunow an die kasachischen Behörden ausgeliefert wird. Wie veröffentlichte Mails zeigen, erhält Borer ein Gehalt von 30’000 Dollar pro Monat, um die Interessen Kasachstans zu vertreten.
Aus den veröffentlichten Mails rekonstruiert die NZZ, wie die Kommunikation zwischen Borer und dem kasachischen Vize-Generalstaatsanwalt im Detail ablief. Borer habe seine Dienste offensiv angeboten. Er könne «wichtige Insider-Informationen» eines Mitarbeiters der Bundesanwaltschaft beschaffen.
Ausserdem initiierte Borer laut den Mails einen kritischen Artikel im «Beobachter». Im weiteren wolle Borer «positiven Druck auf das Büro des Bundes-Staatsanwalts ausüben», so der Wortlaut aus einem Mail.
Treffen bei einem Kaffee
Dann folgte ein Treffen mit SVP-Nationalrat Christian Miesch, was Miesch bestätigt und nicht absonderlich findet. Er treffe sich ab und an mit Thomas Borer: «Dann besprechen wir einige Fragen bei einem Kaffee.» Was die beiden besprachen, bleibt offen.
Fakt ist: Am 26. September reichte Miesch eine Interpellation ein: Gegen die mutmassliche Veruntreuung von kasachischen Staatsgeldern in der Schweiz.
Borer brüstet sich vor den kasachischen Behörden, er habe die Interpellation vorbereitet und durch «freundlich gesinnte Parlamentsmitglieder» einreichen lassen. Hat Borer den Baselbieter Nationalrat um den Finger gewickelt? «Der Vorstoss kam von mir aus», erwidert Miesch. Borer habe das Anliegen sofort unterstützt.
Hat Miesch also in Borer lediglich einen Verbündeten gefunden? Vor fünf Jahren hat Miesch die parlamentarische Gruppe Schweiz-Kasachstan ins Leben gerufen. Seit Langem setzt er sich für das Land ein, hat laut eigenen Angaben bereits 14 Reisen nach Kasachstan unternommen.
Chrapunow sei immer ein Thema gewesen
Der Fall Chrapunow beschäftige ihn schon lange. In der parlamentarischen Gruppe sei Chrapunow «immer ein Thema gewesen». Ein Anstoss von Borer habe es demnach gar nicht gebraucht.
Dem widerspricht Sebastian Frehner, SVP-Nationalrat aus Basel. Er ist seit rund drei Jahren Co-Präsident der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Kasachstan, er nahm allerdings erst zweimal an den Treffen mit kasachischen Abgeordneten teil.
Wie hat er das Thema Chrapunow erlebt? «Es wurde nicht über den Fall Chrapunow gesprochen.» Die Treffen seien eher offizielle Anlässe gewesen, an denen keinerlei heikle Fragen angesprochen wurden.
Miesch sieht keinen Reputationsschaden
«Ich persönlich wäre eher skeptisch, eine solche Interpellation zu unterschreiben, wenn man hört, wie autoritäre Regierungen in solchen Ländern mit ihrer Opposition umgehen», fügt Frehner bei.
Bilaterale parlamentarische Gruppen gibt es zuhauf. Schweiz-Israel, Schweiz-Korea, sogar Schweiz-kurdisches Volk. Sie bieten den Parlamentariern der beiden Länder die Möglichkeit, sich auszutauschen. Kompetenzen haben die Delegationen keine.
Das spricht eher dagegen, dass die Parlamentarier-Gruppe Schweiz-Kasachstan den Fall Chrapunow umfassend thematisierte. Der Kontakt mit Borer könnte für Miesch also eine entscheidende Anregung gewesen sein.
Dass Miesch in diese Geschichte hineingezogen wurde, sieht er selbst nicht negativ. Er mache das, was er mache, aus Überzeugung und «das weiss auch das Baselbieter Volk».
Quelle: TagesWoche.ch