Der ehemalige Bürgermeister von Almaty ist der Meinung, der kasachische Präsident manipuliere die Medien und die Schweizer Justiz. Er erklärt seine Aufrichtigkeit in einem Gespräch mit L’Agefi.
Die Staatsanwaltschaft in Genf hat ein Verfahren wegen Geldwäsche gegen Ihre Familie eröffnet. Der Staatsanwalt Jean-Bernard Schmid untersucht die Herkunft von Geldern, die in der Schweiz investiert wurden…
Mir ist klar, dass die Schweizer Behörden auf einen Antrag aus dem Ausland reagieren müssen, auch wenn dieser von einem Diktator wie Nursultan Nasarbajew kommt. Ich verstehe es, aber ich bedaure es. Die gegen mich und meine Familie ausgesprochenen Vorwürfe sind politisch motiviert. Die kasachische „Pseudo“-Justiz hat seit ungefähr zwei Jahren beschlossen, ein Dossier anzulegen, um mich der Geldwäsche und anderer Verbrechen anzuklagen. Ich weise diese Vorwürfe pauschal zurück, deren einziges Ziel es ist, mich zu diskreditieren und als Oppositionellen zum Schweigen zu bringen.
Laut Angaben des französischsprachigen Schweizer Fernsehens wurden zig Millionen bei Credit Suisse und der Schroder & CO Bank beschlagnahmt?
Diese Informationen des französischsprachigen Schweizer Fernsehens sind falsch. Ich ermahne die Journalisten und Schweizer Richter bei den Informationen, die vom kasachischen Regime geliefert werden, höchste Vorsicht walten zu lassen. Die Erstellung und Fälschung von Dokumenten für politische Zwecke, einschließlich juristischer Dokumente, wie das im Schweizer Fernsehen gezeigte, sind gängige Praktiken in Kasachstan. Ich wiederhole, dass ich weder Konten bei ausländischen Banken besitze, noch jemals im Besitz solcher war. Wie hätten also meine Konten beschlagnahmt werden können? Um neue Missverständnisse zu vermeiden, stelle ich nochmals klar, dass kein Geldbetrag von Mitgliedern meiner Familie,von Konten bei diesen zwei Banken beschlagnahmt wurde,
Das von RTS zitierte russische Dokument behauptet, Ihr Amt als Bürgermeister hätte Ihrer Frau erlaubt, sich zu bereichern: 70 Grundstücke und Gebäude, die dem Staat gehörten, sollen mit einem Gewinn von 250 Millionen Dollar verkauft worden sein, und zwar an die…
Diese Anschuldigungen sind verlogen. Nasarbajew hat die Propagandamethoden Goebbels übernommen. Je größer die Lüge, umso besser stehen die Chancen, dass sie geglaubt wird. Und je größer sie ist, um so besser wird etwas davon im Denken der Leute haften bleiben. Jeder weiß, dass das kasachische Regime nicht vor Manipulationen zurückschreckt, um seine Gegner in die Enge zu treiben. Ich habe meine Ämter niemals zu meinem persönlichen Vorteil ausgenutzt. Bevor ich Bürgermeister von Almaty wurde, war ich Minister für Energie und Bergbau. Im Gegensatz zum Nasarbajew-Klan, der unser Land seiner Bodenschätze beraubt hat, besitze ich jedoch kein Stromkraftwerk oder Bergwerk. Wenn Nasarbajew mir Anweisungen gab, dieses oder jenes Gut einem seiner Vertrauten zu übertragen, habe ich ihm gegenüber stets meine Empörung zum Ausdruck gebracht. Dies war der Grund, weshalb er mich aus diesem Ministerium entfernte und an die Spitze der Stadt Almaty stellte.
Es wird angedeutet, dass die Gesellschaft KazReallncom, der Ihre Frau nahesteht, einen Kindergarten zum Preis von 336.934 Franken ersteigern konnte, als dieser privatisiert wurde, und dies dank Ihres Amtes als Bürgermeister. 2003 habe sie diesen für 13,4 Millionen wieder verkauft…
Ich bin auch angesichts dieser Lüge ganz gelassen, und bereit mitzuhelfen, um all diese Falschanklagen, die gegen mich und meine Familie erhoben wurden, zu widerlegen. Es handelt sich um ein Gebäude, das völlig legal per Ausschreibung und ohne jegliche Bevorzugung erworben wurde, im Rahmen der Privatisierung von zig Kinderbetreuungsstätten, die entweder leer standen oder deren Bau nie fertig gestellt worden war. Beim Kauf war es eine Ruine. Nach größeren Investitionen wurde das Gebäude komplett renoviert. Es gab darin Ausbildungsräume, entsprechend dem Pflichtenheft der Stadt. Leila richtete dort auch die erste französische Bäckerei von Almaty ein, sowie eine Schneiderei mit 50 neuen Arbeitsplätzen.
In ihrer Rangliste der 300 größten Vermögen der Schweiz, schrieb Ihnen die Zeitschrift Bilan im letzten Jahr 300 bis 400 Millionen und eine Villa in Cologny zu. Woher kommt dieses Geld?
Bilan hat uns in der letzten Ausgabe zu Recht aus dieser Liste heraus genommen. Meine Familie hat in diesem Ranking nichts zu suchen. Ich habe weder einen Chauffeur, noch ein Privatflugzeug oder eine Jacht. Die Villa in Cologny wurde von meiner Tochter mit einem Hypothekenkredit gekauft. Unsere ganze Familie lebt heute dort, einschließlich der Eltern meiner Frau, ihrer Schwester, deren Ehemann und deren zwei minderjähriger Kinder. Wir haben auch eine Wohnung in Genf, die gerade umgebaut wird. Die völlig frei erfundenen Zahlen, die von dieser Zeitschrift in den letzten zwei Jahren veröffentlicht wurden, haben uns sehr geschädigt. Ich befürchte, Mitglieder des Nasarbajew-Klans haben der Zeitschrift falsche Informationen geliefert. Und nun verwendet die kasachische Justiz diese als Beweiselement.
Wie begannen Ihre Scherereien mit dem kasachischen Präsidenten?
Das ist eine Verkettung von Umständen, die sich mit der Hochzeit meines Sohnes Ilyas im Juli 2007 zuspitzte, als er die Tochter des nach London geflohenen Oppositionellen, Muktar Ablyazow, heiratete. Als ich dem Präsidenten die Nachricht über das Bündnis, das unsere Kinder einzugehen wünschten, persönlich mitteilte, machte er ein finsteres Gesicht. In der Folge wurde Muktar Ablyazow Opfer von Schikanen, und der Klan des Präsidenten bemächtigte sich seiner Güter. Nasarbajew ist der König der Korruption. Er hat aus einem riesigen Land, das fünfmal so groß ist wie Frankreich, sein privates Familienunternehmen gemacht. Der Klan hat völlig illegal die totale Kontrolle über den Öl- und Gassektor, sowie die Industrie der Nichteisenmetalle (Kupfer, Gold, usw.) übernommen. Er gründete eine Gesellschaft, die er an Glencore verkaufte, und gründete die Gesellschaft Kazak-Mys, die die gesamte Nichteisenmetallindustrie kontrolliert. Er kontrolliert ein riesiges Eisenverhüttungsunternehmen in Temirtau (das Eisenverhüttungskombinat von Karaganda), das er an den Inder Lakshmi Mittal verkaufte, an dem er aber einen Anteil hält. Er kontrolliert die gesamte elektrische und thermische Energie Kasachstans. Er erklärt, er wolle die Korruption bekämpfen, aber niemand lässt sich täuschen. Er hat das Parlament in der Tasche. Dieses hat ganz folgsam im Jahr 2010 ein Gesetz angenommen, welches verbietet, von ihm Rechenschaft zu fordern. Niemand hat das Recht ihn zu kritisieren oder Informationen über die Bankkonten seines Klans zu verbreiten. Das Strafgesetz wird angewandt, sogar die Todesstrafe. Fast 99% der Medien gehören ihm. Er hat sich zum Führer der Nation ausgerufen.
Haben Sie diese Entwicklungen bei Ihrer Ausreise voraus gesehen?
Ja, ich wollte alle Verbindungen zu diesem niveaulosen Zirkus abbrechen. Die Kasachen nennen Nasarbajew „unsere kleine Gottheit“. Es verletzt mich sehr, dass dieses Situation ein hochgebildetes und kultiviertes Volk trifft. Ich verstehe nicht, warum sich bestimmte Schichten der kasachischen Bevölkerung so täuschen lassen. Manche liefern sich einen regelrechten Wettbewerb, wer am besten schmeichelt. Er wird „großer Friedensstifter“ genannt, der Mann, der „das Herz in seinem Gehirn hat“. Zwei amerikanische Abgeordnete haben ihn sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, weil er die Welt vor einer nuklearen Katastrophe bewahrt hat. Ich bin in 200 km entfernt von dem Atomversuchsgebiet in Kasachstan geboren, und weiß nur zu gut, dass er 1991 unter dem Druck der öffentlichen Meinung von Atomwaffen Abstand genommen hat. Andererseits hätte Nasarbajew niemals die nuklearen Sprengköpfe, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion übrig geblieben waren, aufbewahren können. Aus einem einfachen Grund: Kasachstan erfüllte keine der Anforderungen für den kompletten Herstellungszyklus von Waffen dieser Art. Weder Russland noch die USA hätten Kasachstan helfen können, selbst wenn sie es gewollt hätten, da dies ihren Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag bedeutet hätte.
Sie sind 2007 aus gesundheitlichen Gründen aus Kasachstan in die Schweiz ausgereist…
Das war die einzige Möglichkeit das Land zu verlassen. Ich habe zu viel Information über die illegitime Bereicherung des Präsidentenklans. Er beschloss, sämtliche Zeugen seiner Fehltritte aus dem Weg zu räumen. Der Präsident schreckt nicht davor zurück seine Gegner physisch zu beseitigen. 2005 wurde mein Vorgänger im Bürgermeisteramt von Almaty, Zamanbak Nurkadilow, mit drei Kugeln getötet. Seine Frau fand seine Leiche, durchlöchert von zwei Kugeln in Herznähe und einer in der Schläfe. Die offizielle Version sprach von Selbstmord! 2006 wurde ein weiterer Oppositioneller, und mit ihm sein Leibwächter und sein Chauffeur, erschossen. Ein Trupp von Sicherheitskräften hatte sie aus Almaty herausgebracht und erschossen.
Sie dachten, dies könnte auch Ihnen passieren…
Ja, daran dachte ich.
Ist Ihr Gesuch auf politisches Asyl in der Schweiz von dem Verfahren betroffen, das von den kasachischen Behörden wegen Geldwäsche in Genf eingereicht wurde?
Im Rahmen des Asylverfahrens haben wir in Bern drei Bundesordner mit allen Anklageelementen gegen Nasarbajew eingereicht. Dieses Gesuch wurde im Laufe des Sommers 2011 eingereicht, lange vor dem kasachischen Rechtshilfeersuchen. Die Schikanen gegenüber meinen Schwiegereltern in Kasachstan haben all dies ausgelöst. Ohne Rechtsgrundlage wurde ihnen eine Urlaubsreise in die Türkei verwehrt. Daraufhin erlitt Leilas 83-jähriger Vater einen Schlaganfall und benötigte dringend ärztliche Betreuung in Moskau. Ein medizinisch ausgestattetes Flugzeug kam, um ihn abzuholen, aber die Behörden verweigerten den Abflug. Lediglich dank der Ankunft von Journalisten am Flughafen und eines Arztes, der versicherte, dass mein Schwiegervater von einer Minute auf die andere sterben könnte, wurde der Abflug genehmigt, nach sechs Stunden Demütigung. Mein Asylgesuch gilt gleichzeitig auch für Leila, ihre Schwester und deren Ehemann. Ich schließe nicht aus, dass die kasachischen Behörden versuchen, über den Umweg des Rechtshilfeersuchs, auf unseren Asylantrag Einfluss zu nehmen.
Es war zu lesen, dass die Eröffnung des Untersuchungsverfahrens wegen Geldwäsche gegen Timur Kulibajew, dem Schwiegersohn des Präsidenten Kasachstans, mit einer anonymen Anklage von Muktar Ablyazow, dem Vater Ihrer Schwiegertochter, in Zusammenhang steht. Können Sie das bestätigen?
Ich kann dies nicht bestätigen, da ich von der Eröffnung der Untersuchung aus den Schweizer Medien erfahren habe. Unter den Dokumenten, die zu diesem Dossier gehören, sind insbesondere unstrittige Banküberweisungen, die zeigen, dass Timur Kulibajew die Staatskassen geplündert hat. Die Medien haben ebenfalls Information über Nasarbajews Geldwäsche bei Schweizer Banken veröffentlicht, 100 Millionen Dollar aus dem Verkauf von technischen Einrichtungen und logistischen Hilfsmittelns des Rundfunk- und Fernsehkomplexes Khabar. Diese Transaktion wurde über Saulé Tlevlessowa abgewickelt, eine Vertraute und Angestellte von OMPI, Kommilitonin von Dariga, der ältesten Tochter Nasarbajews und Exfrau von Rakat Alijew.