Thomas Borer soll in fragwürdiger Weise für die autokratische Regierung Kasachstans als Lobbyist tätig sein, schreibt die NZZ. Der frühere Schweizer Botschafter in Berlin weist die Vorwürfe zurück und sagt, er tue «nichts Aussergewöhnliches».
Viktor Chrapunow ist reich, stammt aus Kasachstan und hat in der Schweiz Asyl beantragt. Das steht fest. Doch dann gehen die Meinungen auseinander: Die einen sagen, Chrapunow sei ein Verbrecher, der mit korrupten Methoden zu seinem Vermögen gekommen sei. Er gehöre ausgeliefert. Die anderen sagen, er müsse vor politischer Verfolgung geschützt werden.
Im Streit mit Präsident Nasarbajew
Chrapunow ist nicht irgendein Kasache. Er war Stadtpräsident von Almaty, der Metropole Kasachstans. Zudem war er Energieminister des Landes. Das heisst, er gehörte zum inneren Machtzirkel der ehemaligen Sowjetrepublik. Zu jenen Oligarchen also, die über den Öl- und Gas-Reichtum bestimmen und die seit der Unabhängigkeit 1991 zu grossem Reichtum gelangt sind.
Vor ein paar Jahren überwarf sich Chrapunow aber mit Staatspräsident Nursultan Nasarbajew. Dieser war schon zu Sowjetzeiten der starke Mann in Kasachstan und hält seither die Zügel fest in der Hand. Menschenrechts-Organisationen werfen ihm regelmässig vor, dass er keine wirklich freien Wahlen zulasse, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt werde und dass die Gerichte politisch urteilten.
Volksvermögen veruntreut?
Warum Chrapunow in Ungnade fiel, ist nicht bekannt. Die kasachische Justiz beschuldigt ihn aber, er habe im grossen Stil Volksvermögen veruntreut und Geldwäsche in vielfacher Millionenhöhe betrieben. Vor sieben Jahren verliess er Kasachstan und liess sich mit Frau und Kind am Genfersee nieder. Später beantragte er politisches Asyl in der Schweiz. Er sagt, die Anklage gegen ihn sei politisch motiviert.
Auch andere kasachische Grössen sind in Ungnade gefallen. Der ehemalige Minister und Banken-Chef Muchtar Abljasow hat in Frankreich Zuflucht gesucht, der ehemalige Schwiegersohn Nasarbajews, Rachat Alijew, in Österreich. Beide sagen, sie würden politisch verfolgt. Sie wehren sich wie Chrapunow gegen die Auslieferung an Kasachstan.
Andere kasachische Oligarchen haben dagegen keine Probleme. Offensichtlich interessiert sich die Justiz in Kasachstan nicht für alle, die schnell und undurchsichtig zu viel Geld gekommen sind.
Thomas Borer lobbyiert für Kasachstan
Ins Schussfeld der Kritik ist nun der frühere Botschafter in Berlin, Thomas Borer, geraten: Unter dem Titel «Im Sold einer fremden Macht» hat die NZZ einen kritischen Artikel über dessen Lobbyistentätigkeit für die Regierung Kasachstans publiziert. Seine Aufgabe: Die Schweizer Behörden dazuzubringen, Chrapunow an Kasachstan auszuliefern. Laut NZZ übt Borer unzulässigen Druck aus und betreibt «lukratives Lobbying für ein autoritäres Regime».
Im Interview mit SRF wehrt sich Borer gegen die Vorwürfe: «Die Darstellungen der NZZ sind lächerlich», sagt er. Was er mache, würden Hunderte weitere Lobbyisten in Bern ebenfalls tun; nämlich die Interessen eines Auftraggebers vertreten. Als Lobbyist und Anwalt habe er viele Kontakte zu den Behörden und verhalte sich «immer im Rahmen der Rechtsordnung».
Borer: «Im Interesse der Schweiz»
Gegen Chrapunow gebe es «offensichtlich schwerwiegende Beweise», sagt Borer. Deshalb setze er sich als Lobbyist nicht nur für Kasachstan, sondern auch für die Schweiz ein: Es sei im Interesse der Schweiz, dass Chrapunow daran gehindert werde, seine «widerrechtlich in Kasachstan gewonnennen Millionen in der Schweiz zu waschen». Dies müsse aufgedeckt und angegangen werden, damit die Schweiz nicht wieder als Hort für Geldwäscherei in die Schlagzeilen gerate.
Der NZZ wirft Borer vor, von Chrapunow instrumentalisiert worden zu sein. So sei die von der Zeitung zitierte Internetseite, auf welcher Tausende E-Mails der kasachischen Regierung veröffentlicht worden sein sollen – darunter auch solche von Borer mit seinen kasachischen Auftraggebern – nicht mehr auffindbar: «Ich bin überzeugt, dass der zuständige Journalist lediglich einige E-Mails erhalten hat und daraus – im Interesse von Herrn Chrapunow – versucht hat, eine Geschichte zu schreiben».
NZZ hält an ihrer Darstellung fest
Dazu wiederum sagt der Autor, Markus Häfliger: «Diesen Vorwurf weisen wir ganz entschieden zurück.» Ein Journalisten-Team der NZZ habe den gesamten Datensatz mit rund 60’000 Dokumenten ausgewertet. Die Daten seien bis mindestens Ende letzter Woche auf der fraglichen Website verfügbar gewesen. Die NZZ könne dies belegen.
Quelle: SRF.ch